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Interview mit den Schöneberger Instrumentebauern (Teil 2)


Tobias, du bist im Angestelltenverhältnis ist das gut so? Oder Ziel Selbständigkeit?
TH: Zurzeit ist das Arbeiten im Angestelltenverhältnis gut so. Da sehr viele Orgelbauer in den letzten Jahren schon den Schritt in die Selbständigkeit gegangen sind, ist der Markt auch gut gesättigt von den sogenannten Rucksackorgelbauern. Wenn man diesen Schritt geht, heißt dass erst einmal nur Reisen von Ort zu Ort um kleinere Arbeiten oder Stimmungen auszuführen und das kann ich mir im Moment nicht vorstellen.

Andreas, du bist seit mehr als 30 Jahren selbstständig! Ist das besser so?
AS: Grundsätzlich JA, wenn man sein Auskommen mit dem Einkommen hat.

Was sind die Vor- und Nachteile in eurem Job?
AS: Vorteile: sehr abwechslungsreich, immer wieder neue Herausforderungen (Akustikverhältnisse, Kundenanspruch, Verstimmungsgrat, Reparaturen, man kommt viel rum ...)
Nachteile: man ist wirtschaftslageabhängig, kein Urlaubs- /Weihnachtsgeld, man hat nicht krank zu sein, man muss sich um Werbung und Versicherungen rechtzeitig kümmern, ...
TH: Vorteile: Der Beruf ist sehr Abwechslungsreich. Kundengespräche, Dokumentationen schreiben, Angebote erstellen, Tischlerarbeiten, Schlosserarbeiten, Elektrik, Arbeiten mit Leder und Textilien, Intonation (Klang der Pfeifen einer Orgel an die Raumverhältnisse anpassen), Stimmungen, Wartungen, verschiedenste Reparaturen. Außerdem kommt man viel rum, lernt tolle Orte in Deutschland und der ganzen Welt kennen.
Nachteile: Je nachdem in welchem Gebiet man eingesetzt ist, kann die ständige Reisetätigkeit irgendwann schon zu viel werden.

Wo liegen die grundlegenden Unterschiede zwischen dem Beruf des Klavier- und des Orgelbauers?
AS: Das ist wie Tierarzt und Zahnarzt. Beide sind Ärzte und doch nicht vergleichbar. Wir sind beide Tasteninstrumentenbauer und doch nicht gleich. Das Tonerzeugungsprinzip allein verdeutlicht das: bei der Pfeifenorgel wird durch strömende Luft durch Zinn- und/oder Holzpfeifen und ggf. durch Elektronik (Tobias korrigiere mich :-)) der Ton erzeugt und beim Flügel/Klavier durch die Hämmer auf entsprechend gespannte Saiten schlagen. Deswegen maße ich mir nicht an in einer Pfeifenorgel rumzufummeln und ein Orgelbauer wird nicht einen Flügel oder ein Klavier bearbeiten.
TH: Diese Frage hat Andreas sehr treffend beantwortet. :)
Die Orgel gilt zudem als Tasten- und Blasinstrument. Mit der Klangerzeugung digitaler Orgeln hat der "klassische Orgelbauer" aber nichts zu tun. :) Eigentlich sind die einzigen Dinge die den Klavier- und Orgelbau verbinden, die Schule in Ludwigsburg und das beide Instrumente Tasten haben, wobei nicht mal diese wirklich gleich sind. Die Tasten haben unterschiedliche Größen und Abstände und ein Klavier hat im Normalfall auch ein paar mehr davon. :)

Orgeln und Klaviere werden seit mehreren Jahrhunderten produziert. Ist das im Technikzeitalter ein Beruf mit Zukunft?
AS: Ca. 320 Jahre Klavierbau und (Tobias wird´s wissen) genauso lange Pfeifenorgelbau. Die Instrumente, die gestern oder heute gebaut wurden gibt es in 100 Jahren immer noch. Und doch ist schwer vorhersehbar wie der Bedarf in wenigen Jahrzehnten sein wird.
TH: Die erste Orgel wurde um 246 v.Chr. gebaut. Natürlich war dieses Instrument noch nicht so weit entwickelt wie ein Heutiges. Orgeln, wie wir sie heute kennen gibt es seit dem 14./15. Jhd.. Auch wenn wir heute mit Maschinen arbeiten hat sich tatsächlich seitdem nicht viel geändert. Der Großteil aller Arbeiten bei der Herstellung besteht immer noch aus Handarbeit und das kann sich auch so schnell nicht ändern, da jede Orgel klanglich und meist auch von der äußeren Erscheinung her ein Individuum ist. Also braucht man Menschen, die diese Arbeiten ausführen. Sicherlich wird der Beruf so wie er jetzt existiert sich verändern. Es gibt jetzt schon immer weniger Orgelneubauten, zumindest in Europa, dafür aber immer häufiger Restaurierungen historischer Instrumente. Von daher wird der Beruf sich wahrscheinlich mehr in Richtung Reparatur, Wartung und Denkmalpflege entwickeln.

Wollen junge Leute diesen Beruf noch erlernen? Oder gibt es Nachwuchssorgen?
AS: Nachwuchssorgen gibt es (momentan) nicht. Es suchen mehr junge Menschen einen Ausbildungsplatz wie Lehrstellen zur Verfügung stehen.
TH: Die Nachfrage nach Ausbildungsstellen geht definitiv zurück. Haben vor 10 Jahren noch ungefähr 60 junge Menschen pro Jahr in der BRD diesen Beruf erlernt, so sind es heute noch ca. 30-40. Nachwuchssorgen gibt es dennoch nicht, da auch das Angebot der Ausbildungsplätze zurückgegangen ist, sodass es immer noch mehr Bewerber als freie Plätze gibt.

Die Redaktion dankt unseren Bauer für das Interview und wünscht noch viele spannende und klangvolle Momente. (C.G.)

Teil 1 (Ausgabe Juli 2016)

01.08.2016
C.G.
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