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Interview mit dem Step by Step Team (Teil 2)


Nach einem Jahr Einsatz für die Flüchtlinge ist das Step by Step Team Janina, Nanny, Stefan Angelika und Margie im Gespräch mit der Redaktion.

Was waren im letzten Jahr eure schönsten Momente?
  • Einer der schönsten Momente war die fast unmögliche Zusammenführung der Tochter unseres Krebspatienten hier in Berlin nach einem Jahr Trennung. Sie lebt seit der Flucht aus Syrien in Österreich und hatte noch keinen Pass und Aufenthaltstitel. Es war somit fast unmöglich hier kurzfristig ein Besuchsrecht zu erhalten. Gemeinsam mit den deutschen und österreichischen Behörden wurde innerhalb von 4 Wochen der Pass und Aufenthaltstitel ausgestellt. Normal wären hier ein Jahr gewesen.
  • als die ersten beiden Männer ihr Asyl genehmigt bekamen, als die Ehefrau von einem dieser Männer mit ihren vier Kindern die Flüchtlingsroute überlebt hat und wir sie hier alle in die Arme schließen konnten und wenn sie bei gemeinsamen Mahlzeiten nicht eher anfangen zu essen, bis wir gebetet haben.
  • schöne Momente gab es sehr sehr viele. Sehr schön waren unsere geplanten und organisierten Treffen mit den Syrern, die in der Begegnungsstätte / Rungiusstraße oder im Britzer Garten stattfanden. Schön waren auch die vielen Stunden an den Sonntagen und Samstagen, die wir gemeinsam im Hostel verbracht haben. Einer der Flüchtlinge, inzwischen ein guter Freund, hat kürzlich gesagt, ... also die Zeit im Hostel war schrecklich, aber die Stunden mit euch werde ich nie vergessen ... . Es gab und gibt immer noch so viele schöne Momente seit Oktober letzten Jahres. Denn jeder noch so kleine Erfolg in jeglicher Hinsicht ist ein glücklicher Moment. Man freut sich mit Ihnen, wenn sie Stück für Stück in einem neuen Leben ankommen - step by step eben -.

In welchem Bereich würdet Ihr euch Unterstützung bei eurer Arbeit wünschen und von wem? Kann Jeder helfen, sollte der Staat mehr helfen?
  • Zuerst möchten wir den vielen Geschwistern unserer Gebietskirche danke sagen, für die vielen Geldzuwendungen im Rahmen des Sonderopfers 2015, von dem wir auch partizipieren dürfen. Danke auch für die Unterstützung, sei es materiell oder durch Gebete. Wer nun Interesse hat uns zu unterstützen, kann sich gerne an uns wenden. Wer ein wenig Zeit übrig hat, für den findet sich bestimmt eine Aufgabe, z.B. bei der Begleitung bei Wohnungsbesichtigungen, Arztbesuchen, Behördengängen, beim Umzug ein Auto zur Verfügung zu stellen oder ein gemietetes zu fahren, oder einfach nur beim Zuhören... Sollte der Staat mehr helfen: eindeutiges Ja! Einzelheiten würden dieses Interview sprengen.
  • da ich inzwischen wieder voll berufstätig bin, wäre es hilfreich, eine Vertrauensperson aufbauen zu können, die bei Behördengängen mitgehen und übersetzen könnte. Jeder, der sich das zutraut, kann hier helfen, allerdings sind die meisten doch sehr personenbezogen, da sich das Vertrauen hier schon aufgebaut hat. Der Staat ist ganz offensichtlich hier komplett überfordert, meine Erfahrungen hierzu behalte ich an dieser Stelle lieber für mich.... Hilfe können wir auch gerne bei Möbeltransporten gebrauchen.
  • grundsätzlich kann jeder helfen. Einer kann nicht allen helfen, aber jeder kann jedem helfen. Unterstützung seitens unserer Kirchenleitung haben wir erfahren dürfen. Auch haben uns viele Geschwister unterstützt. Von Sach- und Möbelspenden über Beratungsangebote in rechtlichen Fragen und vieles mehr. Wenn ich in einigen Fragen Unterstützung benötige, dann spreche ich diejenigen Geschwister, von denen ich mir Unterstützung wünsche, einfach persönlich an. Die Frage, ob der Staat mehr helfen sollte, ist sehr schwer zu beantworten. Grundsätzlich wünsche ich mir mehr Unterstützung im Bereich der Integration und mehr Transparenz an den zuständigen Stellen, Förderung guter Projekte sowie weniger Behördenwillkür. Aber aufgrund der momentanen eher schwierigen politischen Situation sollte man sich auch einen gesunden Realismus bewahren. Darum habe ich für mich entschieden, mich auf der menschlichen Ebene zu bewegen um somit den Menschen effektiv helfen zu können.

Wie vielen Menschen konntet Ihr schon helfen?
  • Wir hatten insgesamt zu 50 bis 60 Flüchtlingen Kontakt.
  • Ich persönlich betreue ganz eng 20 Personen, Tendenz steigend...
  • das lässt sich in Zahlen schlecht ausdrücken. Das ist alles relativ und unsere Hilfeleistungen und Zeitopfer waren und sind immer noch sehr vielschichtig. Aber um eine Zahl zu nennen würde ich sagen, dass wir im Schnitt etwa 30 bis 35 Flüchtlinge betreut haben.

Wie lange begleitet Ihr die Flüchtlinge? Habt Ihr zu allen noch Kontakt, oder gibt es auch Menschen die nach diesem einen Jahr schon völlig selbständig leben können?
  • Wie schon in der ersten Frage erwähnt, haben wir uns aus der Situation heraus in der Flüchtlingsarbeit aufgeteilt und kümmern uns um einige Familien. Die Arbeit mit unseren syrischen Flüchtlingen braucht einen langen Atem. Alle die wir begleiten, wollen sich in der neuen Heimat integrieren und in Frieden leben. Dabei unterstützen wir sie so gut es geht.
  • für mich ist das kein begleiten von Flüchtlingen! Wir haben mittlerweile sehr enge freundschaftliche bis eher familiäre Beziehungen, die sich hier entwickelt haben, das möchte ich nie mehr missen! Sie alle leben nun schon überwiegend in eigenen Wohnungen, es sind studierte Lehrer, Rechtsanwälte, Ingenieure, Ärzte... selbstständig leben können sie natürlich aber Integration bedeutet auch, voneinander zu lernen und das ist für beide Seiten ein unermesslicher Schatz.
  • ja es gibt einige, die bereits Wohnungen haben, Integrations- und Deutschkurse besuchen und nach und nach hier ankommen. Andere wiederum haben immer noch viele Probleme und haben mit den Tücken der Bürokratie zu kämpfen. Wir pflegen unsere Kontakte zu fast aller unserer Schützlinge. Wir haben diverse WhatsApp-Gruppen, in denen wir uns gegenseitig informieren und austauschen. Darüber hinaus hat jeder von uns ein paar Flüchtlinge, die er intensiver betreut. Da bereits einige innige Kontakte entstanden sind begleiten wir sie weiterhin ständig in vielen Situationen des Alltags. Durch unsere intensive Arbeit haben sich viele Kontakte ergeben. Es ist ein kleines Netzwerk entstanden. Es sind diverse Menschen aus unseren Bekanntenkreisen dazu gekommen, die ihrerseits wieder helfen konnten.

Was wünscht Ihr euch für die Zukunft?
  • Viele kleine Helfer. Vielleicht fühlt sich der eine oder andere berührt und möchte helfen. Ganz nach dem Motto: Geben ist seliger denn nehmen. Auf geht’s! Manchmal reicht schon ein Lächeln, eine Begrüßung…
  • Frieden!!! Die vielen Tränen die täglich fließen ob der Sorge um die Angehörigen, die täglich in Syrien vor den Bomben wegrennen und die Kinder, die dort tagtäglich furchtbare Dinge sehen und erleben, all das ist teilweise schier unerträglich und zeigt mir, dass nur unser Himmlischer Vater wirklich helfen kann.
  • ich wünsche mir, dass die Menschen, zu denen ich ein besonders inniges Verhältnis aufgebaut habe, ihren Weg finden und eigenständig gehen können, dass Gefühl haben angekommen zu sein und einfach glücklich sein können. Sie haben viel durchgemacht, sind entwurzelt, haben eine Heimat verloren, die sie geliebt haben und müssen sich in einer neuen völlig fremden Welt zurechtfinden. Das alles ist sehr schwer. Sie haben es verdient, dass man Ihnen eine Hand reicht. Ich wünsche mir, dass sich mehr Menschen darüber Gedanken machen, und auf das Leid anderer sensibler reagieren.


Teil 1 (Ausgabe Oktober 2016)

01.11.2016
Geschw. Grünewald
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