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Interview mit Rainer Scholz zur Arbeit mit Hörgeschädigten


Als Gebärdensprache bezeichnet man eine eigenständige, visuell wahrnehmbare Natürliche Sprache, die insbesondere von gehörlosen und stark schwerhörigen Menschen zur Kommunikation genutzt wird (Auszug: Wikipedia).:


Redaktion: Seit wann sind Sie in der Arbeit mit den Hörgeschädigten eingebunden?

R. Scholz: Vorausschickend ist hier festzuhalten, dass wir fünf Priester und ein Diakon unter der Leitung des Bezirksältesten Jeßke gleichberechtigt in dieser Gruppe arbeiten.

Es fing bei mir ca. 1993 an. Seinerzeit war ich Jugendleiter und hatte nur eine hörgeschädigte Schwester zu betreuen. Sie konnte hervorragend vom Mund ablesen. Dadurch sah ich nicht die Notwendigkeit, Gebärden zu lernen. 14-tägig habe ich bei ihr die Gottesdienste im Hausbesuch nachgearbeitet. In dieser Zeit habe ich die Sensibilität der Hörgeschädigten hautnah empfunden und „beigebracht“ bekommen. Sie hat mich sehr nachdrücklich auf die Probleme dieser Menschengruppe aufmerksam gemacht. Die Hörgeschädigten-Gottesdienste nachmittags habe ich nur gelegentlich besucht, weil fast immer zeitgleich Jugenddienste durchgeführt wurden. In einem Zusammensein aller in dieser Arbeit eingebundenen Brüder mit dem Apostel Behr berichtete ich von meinen Erfahrungen mit der Schwester. Mitte 1993 gab mir Apostel Behr den Auftrag, die Gebärdensprache zu lernen. Gemeinsam mit den anderen Brüdern fanden wir eine Privatlehrerin, die uns wöchentlich donnerstags Unterricht gab. So saßen wir Amtsbrüder mit einigen Geschwistern ca. 1½ Jahre zusammen im Unterricht.

Redaktion: Was sind die primären Ziele 1-3 der Arbeit mit den Gehörgeschädigten?

R. Scholz:
Ziel 1 ist und bleibt die spezielle Seelsorge in dieser Gruppe.
Ziel 2 ist das Einssein und die Zusammenarbeit der betreuenden Brüder.
Ziel 3 ist die Suche nach dem letzten Schaf aus diesen Bereichen.
Dabei müssen wir behutsam vorgehen. Gehen wir in die entsprechenden Vereine werben, gibt es sicher Probleme in der Zusammenarbeit mit anderen Kirchen.

Redaktion: Hat sich „damals bis heute“ etwas grundlegend geändert, und wenn ja, was?

R. Scholz: Eigentlich nicht viel. Außer, das sich der Kreis durch Tod und Wegzug verändert hat. Dafür sind wieder neue Geschwister dazugekommen. Die Freudigkeit ist stets gewachsen.

Redaktion: Wie viel hörgeschädigte Jugendliche gibt es in unserer Gebietskirche?

R. Scholz: In unserer Gebietskirche haben wir drei jugendliche Geschwister, ein Kind und einen jugendlichen Gast. Alle sind gehörlos oder haben ihr Gehör verloren.

Redaktion: „Im Hintergrund“ läuft – auf Ihre Initiative - die Installation eines „festen“ Gebärdenchors. Gibt es „zufrieden stellende Anzeichen“? Gern können Sie Ihre Antwort mit einem „Werbeblock“ würzen ..;-))

R. Scholz: Dies ist eine gemeinsame Initiative von uns. Ich bin nur ausführende Person. Die Anzeichen dieser Initiative sind bedeutend größer als nur „zufrieden stellend“. Wir haben viel Freude. Es ist vorgesehen, dass der Chor zu den Hörgeschädigten-Gottesdiensten „singt“. Der Gebärdenchor ist auch ein wenig unter dem Aspekt „Appetit kommt beim Essen“ zu verstehen. Wir suchen beständige und interessierte junge Geschwister und Amtsträger, die Gebärden lernen. Wir laden ausdrücklich dazu ein. Die hörgeschädigten Geschwister sind begeistert von den Leistungen der Gruppe.

Redaktion: Es gibt ja auch eine HP in Berlin, die ausschließlich das Thema der Hörschädigung beinhaltet (http://www.heho-berlin.de). Wie bewerten Sie diese Website?

R. Scholz: Ich habe mich ehrlich gesagt wenig in dieser Site umgesehen. Ein Urteil gebe ich hier öffentlich nicht ab. Deutschlandweit ist eine offizielle Website erstellt mit einem Postfach aller beteiligten Brüder. Außerdem bin ich eher ein praktisch veranlagter und weniger ein plakativ denkender Mensch.

Redaktion: Zum Jugendtag 2006 (Störitzland) stellte der Ältestenbezirk Schöneberg einen Beitrag zum Thema „Hörgeschädigte“, den Sie moderierten und mit Sachinfos füllten.
Ihr Resümee dazu?

R. Scholz: Der Beitrag ist aus meiner Kenntnis durchweg begeistert aufgenommen worden. Ich habe mit vielen Geschwistern dadurch Kontakt bekommen. Unter diesen ein Bruder, der ein Hörgeräte-Akustikgeschäft betreibt. Leider war der Sketch ein wenig weit weg und nicht von allen gut sichtbar. Das tat der Sache keinen Abbruch. Am erfolgreichsten war das gemeinsam „gesungene“ Lied. Darauf bin ich in vielen Gemeinden angesprochen worden. Überall beschäftigt man sich noch damit und zeigt die Gebärden den Freunden und Bekannten. Übrigens höre ich hier und da die Geschichte von dem Blinden und Gehörlosen im Duell1) wiedererzählt. Ich selbst fand die Idee und den Beitrag als Sketch sehr schön und sinnvoll. Herzlichen Dank dafür.

Redaktion: Was sind die konkreten Pläne 1-3 für die Zukunft in der Arbeit mit den Gehörgeschädigten?

R. Scholz:
1) Nachwuchs für diese schöne Arbeit heranbilden.

2) In dem Arbeitskreis für Hörgeschädigte aus allen Gebietskirchen Deutschlands und der Schweiz habe ich mit zwei weiteren Geschwistern die Aufgabe übernommen, deutschlandweit gleiche Glaubensgebärden einzuführen.
In dieser Tätigkeit hat die Zusammenarbeit mit der Evangelischen- und Katholischen Gehörlosenseelsorge behutsam begonnen. Es gibt dort bereits Gebärden zu diesem Thema und weitere auch aus unserem Verständnis begründete kommen hinzu. Natürlich kann man nicht alle Gebärden eins zu eins übernehmen. Aber z.B. Bibelnamen und Begriffe sind ja weitgehend identisch. Ziel dieser Arbeit ist, die Gebärden dann zum Downloaden in die offizielle NAK-Hörgeschädigten-Website und in die Website der beteiligten Christlichen Kirchen einzustellen. Ich freue mich sehr über die gemeinsamen Anfänge und werde die Zusammenarbeit weiter ausbauen.
Im Zusammenhang damit liegt mir persönlich sehr am Herzen, nicht für jeden Begriff in der Bibel eine neue Gebärde zu kreieren. Viel mehr geht es darum, das Evangelium mit einfachen Worten bildhaft verständlich zu machen. Dann reichen oft normale Alltagsgebärden.

3) Einmal monatlich treffen wir Amtsbrüder uns zur Vorbereitung der Hörgeschädigten-Gottesdienste. Einmal monatlich sind die Hörgeschädigten zu einem „Evangelisationsabend“ zusammen. Eine der Hauptarbeiten wird weiterhin sein, Themen für diese Abende zu finden. Diese Themen müssen bildhaft und verständlich aufgearbeitet und in geeigneter Weise präsentiert werden ohne das Gefühl einer Belehrung oder eines Unterrichts zu erzeugen. Die Hörgeschädigten müssen sich auch in dieser Weise versorgt fühlen und Erkenntnis erweiternd konkret etwas mitnehmen können. Hier liegt eine der schwersten und wichtigsten Arbeiten vor uns. Wir schaffen es gemeinsam und vor allem mit der Hilfe unseres himmlischen Vaters. Ohne Ihn können und wollen wir auch in dieser Arbeit nichts tun.


Redaktion: Wir bedanken uns für dieses (virtuelle = "von Mail zu Mail") Gespräch und wünschen Ihnen, als auch allen an und in der Arbeit beteiligten Brüdern und Schwestern Freude und im (Glaubens-) Alltag erlebbaren Erfolg, - dieses gerade auch den hörgeschädigten Gästen und Geschwistern!

1)"Ein Gehörloser und ein Blinder verabreden sich zum Duell. Am vereinbarten Treffpunkt fragt der Blinde: Ist der Gehörlose schon da? Der Gehörlose fragt: Hat der Blinde schon geschossen?"

28.07.2006
Redaktion St. Eglitz
2.126

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